Figuren ÖDLAND Viertes Buch

13-09-19 Ödland Motive aus I + II Buch kombiniert

In der Auflistung der Figuren des Vierten Buches finden interessierte Leserinnen und Leser Kurzportraits sämtlicher Charaktere, die im Vierten Buch der ÖDLAND-Reihe hinzugekommen sind.

Die Übersicht ist als Nachschlagewerk für ÖDLAND-Veteranen gedacht. Leserinnen und Lesern, die ÖDLAND IV noch nicht gelesen haben, wird von der Lektüre abgeraten, da sie SPOILER enthält.

Zu den Figuren des ersten Buches: Figuren ÖDLAND Erstes Buch.

Zu den Figuren des Zweiten Buches: Figuren ÖDLAND Zweites Buch.

Zu den Figuren des Dritten Buches: Figuren ÖDLAND Drittes Buch.

Figuren ÖDLAND Viertes Buch

Viktoriastadt

Schwestern und Jungschwestern

Malika Enid Devi, schwarze Flamme des Matriarchats, Oberkommandierende der Schwesternschaft

In der letzten Prüfung der Anwärterinnen wird die sechsjährige Malika Zweitbeste ihres Jahrgangs. Ihrem neuen Rang entsprechend besteht ihre Tätowierung aus zwei waagerechten, schwarzen Strichen auf dem rechten Wangenknochen. Nach Megas Entführung wird Malika zur Kommandantin der Schwesternschaft und zur Großen Schwester des Matriarchats ernannt.

Passend zum südländischen Teint glänzen Malikas Augen in der Farbe von Mahagoni. Die schwarzhaarige Frau strahlt einnehmende Ruhe aus. In ihrer Gegenwart hat Mega die Assoziation eines frei stehenden Baumes auf einer abgelegenen Lichtung: »Voller Leben und voller Geheimnisse,« und die Stimme der Dunkelhaarigen passt wie »der Regen zur Erde.«

Alles an Malika ist kühl und dunkel, verschmilzt mit den Schatten und wartet auf den richtigen Moment. Aber die Sanftheit des »Schlafzimmerblicks« täuscht und wer sich von ihm einwickeln lässt, schwebt in Lebensgefahr.

Malika und Mega sind gleichaltrig. Als Enklavenkinder wachsen die Mädchen gemeinsam auf, trainieren im Haus der Schwestern und treten in den Übungsräumen des Gefängnisses gegeneinander an. Unzertrennlich stehen sie Schulter an Schulter von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang »wie ein Baum« unter dem Standbild der Göttin.

Die Freundschaft zerbricht, weil Malika Mega in der letzten Prüfung absichtlich gewinnen lässt. Nicht um sie zu kränken, sondern, um ihr den Vortritt zu lassen. Malika ist fest davon überzeugt, dass Mega die bessere Anführerin sein wird, außerdem liebt sie Mega und ist breit alles tun, um sie glücklich zu machen. Mega versteht das Geschenk jedoch falsch. Sie fühlt sich um den Sieg betrogen und bricht mit ihrer besten Freundin.

Wohnraum in Viktoriastadt wird knapp und das Matriarchat plant die Expansion. Malika soll als Pionierin ins Ödland geschickt werden, um eine neue Siedlung zu gründen und dort das Amt der Großen Mutter zu übernehmen.

Malika und Lilith, die schwarze und die weiße Flamme des Matriarchats, sind Vikoriastadts Traumpaar. Als Mega in Viktoriastadt eintrifft liefern sich die Beiden eine hemmungslose Schlammschlacht, denn Malika hat Lilith beim Fremdgehen erwischt. Die Schwestern feierten den Rosenkrieg und unterstützten mal die eine und mal die andere Seite. Malika vollzieht die »Trennung« nach Art der Schwestern. Sie besiegt Lilith im Zweikampf und »bestraft« sie im Gefängnis der Enklave.

In einem Gewölbe aus der Zeit der ersten Zuflucht, das den Schwestern als Partykeller dient, offenbart Malika Mega ihr Geheimnis. Sie ist Gründerin und Anführerin der »Schwarzen Schwestern«, jenes Geheimbundes, der von der Großen Mutter »verbotene Opposition« genannt wird. Schon der Verdacht der Mitgliedschaft führt zur Verbannung. »Kalis Töchter«, wie sich die Schwarzen Schwestern selbst nennen, bewahren das Andenken an Megas Ziehmutter Sorsha. Sie wollte Viktoriastadt für Ödländerinnen und Männer öffnen.

Zur Strafe ließ die Große Mutter Sorsha hinrichten. Die Henkerin, die die Große Mutter schickte, war Sorshas Ziehtochter, die frischgebackene Jungschwester Mega Sorsha Devi.

Lilith Nyx Devi, weiße Flamme des Matriarchats, Ausbilderin und Ziehmutter von Yamini

Lilith hat glattes, schulterlanges Haar in der Farbe von gefrorenem Schnee. Gerade geschnitten rahmt es die aristokratische Blässe eines strengen Gesichtes. Liliths Selbstbewusstsein grenzt an Arroganz und ihre schmalen Augen erinnern an Erdspalten, in denen Magma kocht.

Sie war Drittbeste ihres Jahrgangs, trotzdem gilt sie als gefährlichste Schwester, da im Rahmen ihrer genetischen Optimierungen ihre Empathie gefährlich weit reduziert wurde. Ihre Tätowierung, ein grünes Dreieck, kontrastiert mit ihren Feueraugen.

Lilith ist verbissen und nachtragend. Während Malika längst das Interesse an der aus dem Hort geflohenen, schwangeren Frau (Mega) verloren hat, durchkämmt Lilith weiterhin mit ihrer Ziehtochter Yamini und einem Trupp Soldatinnen die Ruinen.

Tomtom behauptet, dass die weiße Flamme »wütend« sei, weil sie als Ziehtochter der Großen Mutter das Recht auf den Rang der Kommandantin und den Titel der Großen Schwester habe, aber die Wahrheit ist komplizierter. Lilith wurde früh als »Sicherheitsrisiko« eingestuft und wäre um ein Haar aussortiert worden, aber mit Disziplin und Anpassungsfähigkeit eroberte sie sich ihren Platz in der Schwesternschaft zurück.

Lilith besitzt eine herausragende Beobachtungsgabe. Bei Veranstaltungen sitzt sie regungslos da, mit geradem Rücken und geraden Schultern, die offenen Handflächen auf den Oberschenkeln, die ungeteilte Aufmerksamkeit auf die Große Mutter gerichtet. Für Liliths ist das Streben nach Perfektion notwendig, um in der Gesellschaft der Frauen zurechtzukommen und nicht ständig anzuecken.

Dank der Fähigkeit zur Selbstreflexion ist sie dazu in der Lage, jede Nuance ihres Mangels in vollkommener Klarheit zu identifizieren. Außenstehende sehen in der weißen Flamme das Ebenbild der perfekten Kriegerin. Gradlinig, der Sache und den Werten der Enklave verpflichtet, jederzeit dazu bereit, für ihre Mitstreiterinnen in den Tod zu gehen. In Wahrheit leidet Lilith und ihre Seelenqual schweigt nur, wenn sie tötet. Nach den Definitionen der Alten Welt ist sie eine Psychopathin.

Yamini

Jungschwester Yamini ist ein blutjunges Mädchen, fast noch ein Kind. Trotzdem wird sie bereits in die Ruinen der alten Hauptstadt mitgenommen. Lilith hat sie unter ihre Fittiche genommen und ist strenge Ausbilderin und Ziehmutter in einer Person. Yamini hat schmale Lippen, einen kahl rasierten Schädel und asketische Züge in der Farbe von brauner Asche. Brust und Hüfte sind noch nicht ausgebildet. Nur der Verlauf der Wangenknochen und eine weiche Nasenlinie geben einen vagen Hinweis auf ihr Geschlecht. Yaminis Tätowierung ist eine rote Raute, die mit der Spitze auf ihr rechtes Auge deutet.

Tomtom behauptet, Yamini habe eine »Gabe«. Sie könne andere Menschen durchschauen und sei Viktoriastadts beste Spürnase. Mega solle der »Bluthündin« des Matriarchats aus dem Weg gehen.

Tatsächlich ist Yamini nur sehr misstrauisch. Ihre Gabe ist eine Art »natürliche Tarnung«. Sie kann sich so unauffällig verhalten, dass selbst Feinde in unmittelbarer Nähe sie nicht mehr als Bedrohung wahrnehmen und ihre Anwesenheit quasi »vergessen«.

Yamini bewundert die Kälte und die Skrupellosigkeit ihrer Ausbilderin Lilith. Das Mädchen bringt ihrer Mentorin eine Verehrung entgegen, die religiöse Züge besitzt. Würde Lilith es von ihr verlangen, Yamini würde sich in ihren Grabendolch stürzen.

Während die Speerspitze schwesterlicher Wut in den erwachsenen Kriegerinnen bereits der Flexibilität des täglichen Gebrauchs gewichen ist, funkelt sie in Yamini, einer fanatischen Anhängerin der Großen Mutter, noch rasiermesserscharf.

Mega erinnert sich, dass sie als Jungschwester genauso gewissenlos, linientreu und fanatisch gewesen war, wie Yamini. Sie muss erkennen, dass die größte Gefahr nicht von den Schwestern, sondern von Viktoriastadts Kindern ausgeht.

Späherinnen

Deidre, Majorin, erste Späherin des Matriarchats

Für eine Späherin hat Majorin Deidre ungewöhnlich blasse Haut, auf der sich durch die frische Luft, der sie ständig ausgesetzt ist, feine Fältchen gebildet haben. Die Linien verleihen ihr wettergegerbte, beeindruckend raue und trotzdem feminine Züge. Deidre ist jedes Mal überrascht, wenn sie in Viktoriastadt Gelegenheit bekommt in den Spiegel zu sehen, denn so alt wie sie aussieht, fühlte sie sich nicht. Deidre mag ihre Falten. Man sieht ihr ihre Erfahrung an und sie unterscheidet sich wohltuend von den »Glattgesichtern« der Enklave. Ihr Lachen ist ansteckend und Deidre mag sich, wenn sie lacht. Leider bekommt sie selten Gelegenheit dazu. Verschlossenheit und Härte haben sich in ihre Züge gegraben, aber auch Hingabe und die Fügung in ein Schicksal, das ihr Unaussprechliches zugemutet hat.

Sie hat eine kompakte Figur und muskulöse Arme. Das rotblonde Haar trägt sie kurz geschoren, weil alles andere im Ödland unpraktisch ist.

Deidre hat ein Geheimnis. Über ihr persönliches Trauma, den Fluch ihres Lebens, spricht sie aber nur mit Menschen, denen sie vertraut. In ihren Adern fließt das Blut des »Schänders«, jenes Mannes, der Viktoriastadt überfiel, Frauen und Kinder tötete und Jungschwester Mega ins Ödland verschleppte. Deidre ist Hagens Tochter.

Sie versucht ihre Abstammung zu vergessen und in Viktoriastadt ein neues Leben beginnen, aber die Schwestern lassen ihr keine Ruhe. Lilith erinnert sie regelmäßig daran, dass man ihr nicht trauen darf, weil sie das Matriarchat früher oder später verraten wird.

Irgendwann hat Deidre die Schikanen satt und bittet um Versetzung in einen Außenposten. Sie übernimmt die Leitung der »Wolfsgrube«, eines Beobachtungspostens am Ufer des Großen Flusses, der als Strafkolonie dient. Verurteilte Frauen sitzen hier ihre Strafe ab. Die »Insassinnen« respektierten Deidre. Für sie ist die Ödländerin keine Gefängniswärterin, sondern eine Leidesgefährtin, eine Ausgestoßene wie sie.

Mit Adjutantin und Lebensgefährtin Zora folgt Deidre den Söldnern in die Ruinen. Ihren vernarbten und verstümmelten Vater erkennt sie erst, als er unmittelbar vor ihr steht. Sie ist geschockt und weiß in diesem Moment nichts sinnvolles zu sagen, weil es zu lang her ist, dass sie ihrem Vater in die Augen gesehen hat. Lange Jahre war sie fest davon überzeugt gewesen, dass er in der »Umerziehung« des Matriarchats gestorben ist. Sicherheitshalber tut sie weiterhin so, als existiere Hagen nicht mehr.

In Wahrheit rüttelt die Begegnung sie auf. Hagen scheint nicht der Mann zu sein, für den sie ihn gehalten hat und zu dem ihn die Propaganda der Großen Mutter machen wollte. Deidre erinnert sich, dass ihr Vater sie beschützt und ihr zugehört hat. Er hat ihr ein verstecktes Maisfeld gezeigt und ihr geschworen, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und mit ihr und ihrer Mutter ein neues Leben zu beginnen.

Deidre erinnert sich an einen schweigsamen, verlorenen Mann, dem sie als Kind vorsang, um seine zerrissene Seele zu heilen.

Zora, Deidres Adjutantin

Deidres Adjutantin Zora hat ein dunkles, rundes Gesicht, dichte pechschwarze Augenbrauen und ebensolche Haare. Weicher Flaum wächst hinter ihren Ohren und auf ihren Armen. Deidre findet, dass Zora wie ein Äffchen aussieht, ein Vergleich, den Zora hasst.

Zora ist vom Rat der Matronen wegen Mitgliedschaft in der verbotenen Opposition in den Außenposten Wolfgrube verbannt worden und wartete auf ihre Begnadigung. Die Große Mutter kann sie frühestens nach zehn Jahren aussprechen, aber es ist noch nie vorgekommen, dass eine Frau, die der Mitgliedschaft bezichtigt wurde, Straferlass bekam. Zora geht davon aus, dass sie den Rest ihres Lebens im Außenposten verbringt und findet, dass das Schicksal es gut mit ihr gemeint hat. In der Wolfgrube hat sie ihre Ruhe und niemand stellt Ansprüche an sie. Außerdem ist Deidre, die Liebe ihres Lebens, immer in ihrer Nähe. Sie und Deidre sind ein gutes Team und können sich hundertprozentig auf einander verlassen.

Zora gibt sich schlecht gelaunt und jähzornig, aber sie ist so unschuldig und arglos wie ein Kind. Wenn sie Wache hält, döst sie manchmal ein, rümpfte die Nase und bewegt ihre Schneidezähne »wie ein Eichhörnchen, dass eine Nuss knacken will«.

Mütter

Nyx, Große Mutter, Beste Freundin, Magna Mater, Liliths Ziehmutter

Die Magna Mater ist die erste Gründerin der Enklave Viktoriastadt und die Vorsitzende des Rates der Matronen, der aus neun Gründermüttern besteht.

Nyx Geschmack beeinflusst Viktoriastadts Mode. Sie liebt aufwändige Gewänder, die sie nach der Art eines indischen Saris in eleganter Lässigkeit über die Schulter wirft. Das weiße, beeindruckend volle Haar trägt sie offen oder zu aufwändigen Flechtfrisuren arrangiert.

Fehlende körperliche Präsenz gleicht die Große Mutter mit würdevoller Haltung, stolz erhobenem Blick und beeindruckender Aura aus. Tritt man näher, wird deutlich, dass der Inszenierung eine gewisse Flüchtigkeit anhaftet. Die Große Mutter ist eine Greisin. Flecken und pergamentartige Haut bedecken Hals und Unterarme und breite Falten bilden Verwerfungen unter ihren Augen.

Der Rufname der Großen Mutter ist Nyx, das griechische Wort für Nacht. Wie alle Bewohnerinnen der Enklave, die noch aus der Alten Welt stammen, hat sie sich einen neuen Namen zugelegt, der ihr helfen soll, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Der Name passt. Wie die Nacht ist Nyx unnahbar, kühl und furchteinflößend. Seit Ausrufung des Matriarchats bestimmt Nyx die Geschicke der Enklave. Frauen, die in Viktoriastadt geboren wurden, kennen es nicht anders. Nyx besteht darauf, mit »Beste Freundin« oder »Geliebte der Göttin« angesprochen zu werden.

Für die Gründung hat Nyx acht Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Disziplinen ausgewählt. Die neun Gründermütter bilden drei Triumvirate, die in Viktoriastadt Matronen genannt werden. Ein Begriff aus der Zeit, in der die Stämme noch eine Urmutter anbeteten. Die Matronen bilden den Rat, Viktoriastadts gesetzgebendes Gremium. Die Matrone der Großen Mutter ist seit dem »Tag der Schande« beschädigt und besteht nur noch aus zwei Gründerinnen. Eine Wunde, die nicht heilen will.

Nyx gibt es ungern zu, aber sie spürt das Alter und sie weiß, dass sie dringend eine Nachfolgerin etablieren muss. Ihrer Auffassung nach kommt nur Malika infrage, aber Malika ist nicht ihre Ziehtochter. Sie müsste Lilith erneut übergehen und sie hat nicht vergessen, dass Malika Sympathien für Megas Ziehmutter Sorsha hegte.

Nur wenige Frauen kennen die Wahrheit und wissen was wirklich am »Tag der Schande« geschah. Zu diesen Frauen gehören die Mütter Urania und Aradia und Sanja, die Anführerin der Leibgarde.

Nyx ließ Söldner anheuern, die in Viktoriastadt einbrachen. Ein simpler Raubzug, in Wirklichkeit ein perfide Falle. Nyx wollte Sorsha und ihre Unterstützerinnen zum Schweigen bringen, die Schuld für die Untat aber dem »Überfallkommando« der Söldner in die Schuhe schieben. Die Rochade lief nicht nach Plan. Ein Söldner überlebte und entführte Jungschwester Mega.

Nyx ist fest davon überzeugt, dass ein gesellschaftlicher Neuanfang nur ohne Männer möglich ist. Für dieses Ziel ist die erste Gründerin bereit, jedes Mittel einzusetzen und jedes Opfer zu bringen.

Sorsha, Oppositionsführerin, Megas Ziehmutter

Megas Ziehmutter Sorsha ist nicht das, was sich die sechsjährige Mega unter einer Schönheit vorstellt. Sie ist ungelenk, hat graue Strähnen und eine verrutsche Hochsteckfrisur, als wäre sie gerade aufgestanden, oder hätte sich gestritten. Im Vergleich zur Großen Mutter sieht Sorsha immer derangiert aus und ihre breiten Lippen und lachen und küssen gern, statt Befehle zu erteilen. Von den Frauen wird sie für ihr Talent gelobt Menschen für ihre Ideen zu gewinnen. Mega stört ihre Nachlässigkeit und die Weichherzigkeit. Das sechsjähriges Kind hält seine Ziehmutter für schwach.

Die strengen Auflagen, nach denen Ödländerinnen in Viktoriastadt keine Kinder bekommen dürfen, werden auf eine Initiative von Sorsha und Nawi gelockert und viele Ödländerinnen machen vom neuen Recht Gebrauch. Der Großen Mutter ist die neue Freiheit jedoch ein Dorn im Auge ist.

Nyx manipuliert Mega für ihre Zwecke und nutzt die Loyalität des linientreuen Kindes schamlos aus. Am Tag ihrer Weihe und ihres sechsten Geburtstages wird die sechsjährige Anwärterin Mega von der Großen Mutter ausgeschickt, um ihre Ziehmutter und ihre Unterstützerinnen zu töten.

Sorshas Tod hat Folgen für die Enklave. Die Große Mutter erlässt Notstandsgesetze und wird zur Diktatorin. Ödländerinnen werden hingerichtet, Flüchtlinge nicht mehr aufgenommen und das Funksignal abgeschaltet. Sämtliche Brücken über den Großen Fluss werden gesprengt und der Kontakt zur Außenwelt abgebrochen.

Nawi, Ärztin für Allgemeinmedizin, Freundin von Megas Ziehmutter Sorsha

Die Gründermutter und Allgemeinärztin trägt einen weißen Kittel und das dünne, weiße Haar kurz geschoren über einem unbewegten Gesicht. Das unbewusste Nicken des fortgeschrittenen Alters ist deutlich sichtbar.

Mega fühlte sich Nawis Gegenwart auf unerklärliche Art und Weise wohl. Eigenartige Traurigkeit, die Mega nicht einzuordnen vermag, wohnt in Nawis Augen. Nawi trauert um Megas Ziehmutter Sorsha Devi. Sie und die Ärztin waren zu Sorshas Lebzeiten beste Freundinnen und Lebensgefährtinnen.

Ein offenes Geheimnis der Enklave ist die Feindschaft zwischen der Allgemeinärztin und der Großen Mutter. Seit Sorshas Tod gehen die Gründermütter getrennte Wege und die Magna Mater lehnt grundsätzlich alle Vorschläge ab, die Nawi dem Rat der Matronen unterbreitet. Nawi wird jedoch nicht müde, weiterhin in Sorshas Sinne Änderungen zu fordern und ihren Namen so oft wie möglich zu wiederholen, denn das kann Nyx ihr nicht verbieten.

Mit der Blutentnahme im Transitbereich erfährt Nawi, dass Mega vor Kurzem entbunden hat. Die Ärztin verrät Mega jedoch nicht, denn sie hält die Rückkehr der »verlorenen Tochter« für das Zeichen auf das die Enklave gewartet hat und hofft, dass Mega dem Matriarchat doch noch die Öffnung ermöglicht, die Megas Ziehmutter Sorsha nicht durchsetzen konnte.

Urania, Leiterin der Abteilungen Kybernetik und Künstliche Intelligenz

Die Kybernetikerin Urania ist Mitte sechzig, mag schlichte, beiges Arbeitssaris und trägt einen kunstvoll geflochtenem Dutt am Hinterkopf. Sie hat einen gedrungenen Körperbau, ruhige, aufmerksame Augen und besitzt die bewundernswerte Eigenschaft, sich von nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. Hinter der entspannten Fassade verbirgt sich jedoch eine konservative, rückgradlose Person, die der Großen Mutter in allem recht gibt, um sich selbst das Leben zu erleichtern.

Urania arbeitet im Außenposten »Zitadelle«, im Westen der Ruinen. Da die Festung im Territorium der Gettos liegt, können sie und ihre Mitarbeiterinnen den Außenposten nur mit dem Versorgungsschiff der Enklave erreichen. Urania und die Große Mutter sind über eine Standleitung miteinander verbunden. Urania ist in Nyx Machenschaften eingeweiht und hält die Entscheidungen der Großen Mutter für notwendig.

Urania ist für den Aufbau der Wächtereinheit verantwortlich, die von den Banden »Todesschwadron« genannt wird. Die Infiltrationseinheit besteht aus menschenähnlichen Androiden, die während des Zusammenbruchs in einem Werk in Süddeutschland hergestellt wurden. Urania wusste von der Entwicklung und konnte die Prototypen in der Zitadelle in Sicherheit bringen.

Urania glaubt Megas Geschichte vom verlorenen Gedächtnis nicht und hält sie für ein Sicherheitsrisiko. Sie unterstützt Nyx Vorschlag Mega nach dem Gesetz der Schwesternschaft von Malika hinrichten zu lassen.

Aradia, Gentechnikerin

Die Gentechnikerin Aradia ist leitende Wissenschaftlerin in Viktoriastadts Genlabor. Sie erforscht und organisiert die genetischen Optimierungen der Schwestern und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass bei einigen Kriegerinnen gefährliche Grenzen überschritten wurden, die sie zu Psychopathinnen, oder zu Pflegefällen machten. Sie ist eingeweiht, genau wie Mutter Urania und unterstützt die harte Linie der ersten Gründerin.

Enid, Ingenieurin, Malikas Ziehmutter

Enid ist die Chefingenieurin der Anlage. Sie hat den Transporter des Matriarchats, das Bodeneffektfahrzeug Tiamat, entwickelt, die Passivhäuser der Enklave und die Herstellung des Kunstharzes für den Aufbereiter. Sie arbeitet pausenlos und ist nur auf dem Papier Malikas Ziehmutter. Ein Arrangement, das es der Großen Mutter ermöglichte drei Schwestern unter ihre Fittiche zu nehmen und in ihrem Sinne zu beeinflussen: Mega, Malika und Lilith. Nach Megas Entführung wurde Malika zum Lieblingskind der Großen Mutter.

Mara, Physikerin und Lehrerin

Gaia, Biogenetikerin

Morgan, Mathematikerin und Lehrerin

Flora, Megas leibliche Mutter

Flora ist eine rundliche, hochschwangere Frau mit kräftigen Oberarmen und freundlichem Gesicht. Leiblichen Müttern werden die genetisch optimierten und befruchteten Eizellen aus Aradias Labor in die Gebärmütter eingepflanzt. Sie tragen die Kinder aus, bringen sie zur Welt und kümmern sich nach der Geburt um sie. Bis zum dritten Lebensjahr haben die Mädchen der Enklave zwei Bezugspersonen. Die leibliche Mutter und die Ziehmutter. Sobald die Kinder laufen können, übernehmen die Ziehmütter die Betreuung als alleinige Bezugsperson. Leiblichen Müttern begegnen die Kinder unverändert im Haus der Mütter. Die Kinder wachsen in der Gemeinschaft auf und werden von ihren Ziehmüttern auf geplante Laufbahnen vorbereitet. Sobald eine leibliche Mutter ihr Kind an die Ziehmutter übergibt, wird ihr ein neues Kind zugeteilt. In Viktoriastadt ist der Status einer leiblichen Mutter höher als der einer leiblichen Mutter der alten Welt. Kinderbetreuung wird als vollwertige Arbeit betrachtet, gleichrangig mit der der Wissenschaftlerinnen und Kriegerinnen.

Leibgarde

Sanja, Erste Wächterin, Anführerin der Leibgarde

Sanya ist die Anführerin der Leibgarde. Die Elitesoldatinnen der Einheit sind auf die Große Mutter eingeschworen und übernehmen vorwiegend zeremonielle Aufgaben. Die Frauen der Garde gehören einem maskulinen Frauentyp an, der sich durch regelmäßiges Fitnesstraining zusätzlich abhebt. Während die Schwestern Ausdauer und Schnelligkeit trainieren, liegt der Fokus der Garde auf Körperkraft. Bei öffentlichen Anlässen, wie dem Morgenritual, hocken Sanja und die Leibgardistinnen in der Nähe der Großen Mutter.

Die Erste Wächterin hat rotbraunes Haar, das in einer kunstvoll geflochtenen Verlängerung am Hinterkopf ausläuft und dem Kopf die Form eines Tropfens verleiht. Die Festigkeit der Frisur entspricht der Art ihres Charakters. Schmale Augen und eine kleine Nase deuten asiatische Wurzeln an.

Arme, Beine und Hälse der Gardefrauen sind bedeckt mit großflächige Tätowierungen abstrakter, geometrischer Figuren, wie sonnenförmiger Strahlenbündel oder kammartig angeordneter, schmaler Dreiecke.

Im Gegensatz zur Schwesternschaft, steht die Garde allen Frauen offen. Ödländerinnen können sich bewerben und es gilt als höchste Ehre, in die Leibgarde aufgenommen zu werden. Da Ödländerinnen weder Mütter noch Schwestern werden können, gibt es für sie nur in der Leibgarde die Möglichkeit in der Hierarchie der Enklave aufzusteigen und »Karriere« zu machen.

Es gibt kein festgeschriebenes Zulassungsverfahren. Nyx wählt neue Gardistinnen persönlich aus und entscheidet sich meistens für maskuline Frauen. Entwickelt sich ein Mädchen in diese Richtung, gilt es als Kompliment, sie als »Gardistin« zu bezeichnen.

Sanja ist in Nyx Machenschaften eingeweiht und hat aktiv zur Beseitigung verdächtiger Spuren beigetragen. Nach der Großen Mutter ist es hauptsächlich ihr zu verdanken, dass die Gerüchte zum Tag der Schande nie bewiesen werden konnten.

Ödländerinnen und Kinder

Raji, Putzfrau, Kontaktfrau des Horts

Raji ist eine Ödländerin mittleren Alters mit kurzen, schwarzen Haaren. Sie hat eine breite Stirn und eng zusammenstehende Augen, die sie einfältig wirken lassen. Raji stützt sich auf ihren Putzwagen, an dessen Gestände ein Mopp und diverse Putzlappen hängen, als wäre die Last der Welt nicht zu ertragen und sie im Laufe der Jahre mit ihrem Arbeitsgerät verwachsen. Aber der Schein trügt, die Schlichtheit der Putzfrau ist Tarnung. Raji ist Mitglied der verbotenen Opposition und Kontaktfrau des Horts.

Bei der Durchquerung der Ruinen wurde Rajis linke Gesichtshälfte von Bandenmitglieder verbrannt. Sie konnte sich befreien und entkommen, aber die Entstellung blieb. Ein dunkles Kapitel in einem an dunklen Kapiteln reichen Leben. Man erkennt die Narben nicht sofort, da Raji ihr Gesicht immer geschickt in den Schatten dreht. Über den Wunden hat sich die Haut zusammengezogen. Raji sieht aus, als würde sie lächeln. Ein starres, freudloses Lächeln, das bei genauer Betrachtung bedrohlich wirkt.

Aber Raji hat es geschafft das Ödland hinter sich zu lassen und sich ihr gutes Herz zu bewahren. Es schlägt für die Benachteiligten des Horts und für die Unsichtbaren.

Leisa, Megas Essensmädchen

Mega wird ein Mädchen mit glatten, schwarzen Haaren und schmalen Augen als Essensmädchen zugeteilt. Das Ritual organisiert ungezwungene Zufallsbegegnung zwischen Frauen und Kindern an der großen Mittagstafel im Haus der Mütter und fördert die Vernetzung der Enklavenbewohnerinnen. Das Mädchen wirkt blass und zerknittert, als hätte es schlecht geschlafen.

Leisa hält skeptisch den Kopf schief und blinzelt mit einem ebenso schüchternen wie klugen Lächeln zu Mega nach oben. Während der Begegnung am Mittagstisch übt sie sich in Konversation und stellt Mega formvollendet ihren Sitznachbarinnen vor.

Mit ihren Freundinnen lauert Leisa Mega in der Bibliothek auf und überredet sie dazu der Clique etwas vorzulesen. Die Kinder haben feine, unverdorbene Gesichter. Das Leben in der Enklave hat es gut mit ihnen gemeint und die Dunkelheit des Ödlands ihre Herzen noch nicht erreicht. Mega ist davon überzeugt, dass die furchtlosen Entdeckerinnen eines fernen Tages die Welt wieder in einen Garten verwandeln werden.

Jeanne, Kommandantin der Wache

Die Gruppierung, die in Viktoriastadts militärischer Ordnung den niedrigsten Rang einnimmt, für die Sicherheit der Enklave aber unerlässlich ist, ist die Wache. Jeanne ist Kommandantin der Einheit und rekrutiert ausschließlich Ödländerinnen. Mit ihren muskulösen Armen und den ausgeprägten Wangenknochen hätte sie der Garde beitreten können und sie wurde von der Großen Mutter persönlich dazu aufgefordert, lehnte jedoch aus Altersgründen ab. Der Grund war vorgeschoben. Obwohl Jeanne Ende vierzig ist, hat sie eine beeindruckend durchtrainierte Figur und ist zäher, als jede andere Ödländerin. Jeanne lehnte die Offerte dankend ab, weil sie rechtzeitig erkannte, dass eine zu große Nähe zur Anführerin lebensgefährlich werden kann.

Sie trägt einen dicken, grauen Zopf seitlich über der Schulter und einen leichten Körperpanzer.

Margo, Empfangs- und Garderobendame

Margo ist eine »Empfangsdame« der Enklave. Sie hockt in einem Bauwagen vor dem Transitbereich, begrüßt Neuankömmlinge und verwahrt ihre Waffen.

Ein Namensschild weist sie als MARGO aus. Sie trägt eine altmodische Brille, einen handgestrickten Pullover und blättert in einer zerlesenen Zeitschrift, während sie auf »Kundschaft« wartet. Margo macht einen gemütlichen Eindruck, aber Freundlichkeit gehört nicht zu ihrem Charakter.

Obwohl sie den Geruch von Frauen, die das Ödland durchquert haben, eigentlich kennen müsste, rümpft sie die Nase, als Mega sich ihr nähert. Noch kaltschnäuziger wird sie, als sie erfährt, dass Megas Schwangerschaft zu ihrer Ablehnung geführt hat. Margo ist eine unsympathische Person, die die Unwichtigkeit ihrer Aufgabe mit schlechter Laune auszugleichen versucht.

Der Hort

Sibel, Kurierin

Sibel ist eine kräftige Frau mit festen, schwarzen Haaren, die häufig mit einer hölzernen Transportkiste auf dem Rücken anzutreffen ist. Die Kurierin arbeitet auf der gefährlichen Route zwischen Viktoriastadt und dem Hort, einem Versteck abgelehnter Frauen und ihrer Kinder.

Als Dienstälteste wartet sie jeden Tag darauf von streunenden Hunden oder Bandenmitglieder erwischt zu werden. Für Frauen, die in Viktoriastadt abgelehnt wurden und ihr Leben nicht als Erzieherin im Hort verbringen wollen, ist die Arbeit als Kurierin die einzige Möglichkeit ehrlich den Lebensunterhalt zu verdienen.

Sibel trägt robustes Ölzeug in der Farbe der Ruinen: Schwarz, Gelbgrau und Oliv. Sie hat einen dunkelbraunen, sonnenverbrannten Teint und pechschwarze Augen, die hellwach und geerdet in die Welt blicken.

In der Transportkiste befinden Vorräte für den Hort. Unter der Hilfslieferung versteckt Sibel warme Muttermilch von Müttern aus Viktoriastadt, die ihre im Hort lebenden, »illegalen« Kinder versorgen und schmuggelt sie durch die feindlichen Linien. Sibel bekommt die Milch von Raji, die die Fläschchen in Viktoriastadt einsammelt.

Sibel führt Mega auf Schleichwegen und legt dabei ein hohes Tempo vor. Geschickt nutzt sie jeden Stein, jeden Vorsprung und jede Deckung, um sich ungesehen und geräuschlos zu bewegen.

Sibel macht keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen die Schwestern. Eine Haltung, die im Hort toleriert wird, obwohl das Versteck von den Hilfslieferungen der Enklave abhängig ist.

Viktoriastadt sieht sich nicht dazu in der Lage dem Hort den Status eines Außenpostens zu gewähren, aus Angst die offizielle Unterstützung der Abgelehnten könnte zu einer Aushöhlung der Moral führen und die Philosophie der radikalen Erneuerung untergraben. Das Versteck wird geduldet, aber die Arbeit der Hortfrauen nicht anerkannt. Sie bewegen sich in einer Grauzone. Diverse Probleme, die sich aus daraus ergeben, von Nahrungs- über Platzmangel bis zur Angst vor Kontrollen und Banden, sind der Grund für die Wut der Abgelehnten. Aber keine von ihnen, nicht einmal Sibel, ist mutig genug die Probleme offen anzusprechen, aus Angst die Unterstützung der Enklave ganz zu verlieren.

Juno, Leiterin des Horts

Juno ist eine energische Frau mit zupackenden Armen und breitem Kreuz. Ihre Augenbrauen wachsen dicht und buschig in einem runden Gesicht mit großer Nase. Ihre Bewegungen besitzen die herbe Grobschlächtigkeit und die beiläufige Verachtung, die man an körperlich hart arbeitenden Menschen beobachten kann. Juno hat die Tendenz zum schnellen Urteil. Umgeben von Kindern, ist diese Eigenschaft jedoch notwendig.

Widerstand gegen ihre Anweisungen ist zwecklos. Der Kraft, die in Junos breiten Hände wohnt, hat niemand etwas entgegenzusetzen. Während der Untersuchung im Hort berührt sie Megas Stirn. Die Behandlung strahlt Routine aus, trotzdem setzt die Wirkung unmittelbar ein. Mega fühlt sich geborgen und sicher. Sie wird Teil alter Traditionen, Teil eines Geheimnisses, das schon immer von Frau zu Frau weitergegeben wurde.

Juno plant keine Rebellion. Sie hat sich mit ihrem Schicksal abgefunden und stellt sich der Herausforderung die Frauen und Kinder des Horts unter den gegebenen Umständen möglichst gut durchzubringen.

Die Unsichtbaren

Tomtom

Auf den ersten Blick sieht der Junge aus wie ein blasses Mädchen, dessen sekundäre Geschlechtsmerkmale noch nicht ausgebildet sind. Er trägt ein zerrissenes Sommerkleid und schulterlanges, kunstvoll geflochtenes Haar in das die Kinder Federn und Tonkugeln eingearbeitet haben. Dominiert wird das seltsam durchsichtige Gesicht von riesigen, dunklen Augen. Unter dem Saum des notdürftig mit Sicherheitsnadeln und Klebeband geflickten Kleides kommen nackte Beine und Füße zum Vorschein, die stets schwarz sind vor Schmutz.

Alles an Tomtom zeugt davon, dass er ohne Eltern aufgewachsen ist und nie Anweisungen gehorchen musste. Er ist nicht älter als elf oder zwölf Jahre, wirkt in seiner ruhigen Art jedoch erwachsener.

Die Unsichtbaren, wie sich die Straßenkinder nennen, verkleiden sich betont feminin, um die Schwestern, von denen sie gejagt werden, zu täuschen. Der Sekundenbruchteil eines kurzen Zögerns reicht ihnen, um sich in Sicherheit zu bringen. Tomtom und die Unsichtbaren imitieren die Bewegungen des anderen Geschlechts perfekt. Die Illusion ist die Mimikry der Ruinengeister.

Für einen Jungen seines Alters hat Tomtom sich gut unter Kontrolle. Trotzdem nimmt Mega in seiner Stimme Abscheu wahr. Die Unsichtbaren beobachten sie sobald sie in die Nähe der Grenze zur Innenstadt kommt. Als Schwester ist sie die Erzfeindin der Kinder, aber Tomtom erkennt, dass sie sich merkwürdig verhält. Aus Erzählungen der Hortfrauen weiß er, dass es Schwestern verboten ist außerhalb der Enklave zu empfangen. Tomtom beschließt ein Wagnis einzugehen, sich Mega zu nähern und ihr an Angebot zu machen.

Während Mega und die Unsichtbaren aus dem Hort fliehen ist Tomtom der Einzige, der in ihrer Nähe bleibt. Er verhält sich wie ein verständnisvoller Erwachsener, der ein ungeschicktes Kind beaufsichtigt.

Mit Nessa, dem einzigen Mädchen der Unsichtbaren, versteht Tomtom sich intuitiv. Die Beiden brauchen weder Handzeichen noch Worte, um sich auszutauschen.

Die Unsichtbaren spielen in den Ruinen, wie normale Kinder. Bei Gefahr verschwindet die Harmonie jedoch und es greifen andere, archaische Dynamiken. Die Jungs sind hellwach. Wenn einer etwas wittert, hebt er den Kopf und sieht in Richtung Geräuschquelle und der Rest der Kinder folgt seinem Beispiel. Wenn der Erste dem Fluchtimpuls nachgibt, folgt ihm Sekundenbruchteile später die gesamte Gruppe.

Die Unsichtbaren kommen Mega wie die Bestandteile eines vielgliedrigen Organismus vor. Eine Schwarmintelligenz, die sich jederzeit aufspalten und zu etwas Neuem verschmelzen kann. Sie sind die Arme, die Beine, der Kopf und der Magen des Minotaurus, des Herrschers im Labyrinth.

Nessa

Nessa ist ein zwölf Jahre altes Mädchen. Nessas Mutter wurde von den Schwestern getötet, weil sie ihr zweites Kind, einen Jungen, nicht abtreiben wollte. Nessa verbindet eine Hassliebe mit den Schwestern. Sie hasst sie, weil sie ihre Mutter und ihren Bruder getötet haben und sie bewundert sie für ihre Stärke und ihre Kompromisslosigkeit.

Nessa ist die beste Späherin der Unsichtbaren und sie spielt den Köder der Kinder. Hinter der Grenze zur Innenstadt lockt sie Mega in eine Falle. Mit kleinen Veränderungen in Mimik, Frisur und Körperhaltung kann sie sich in einem Jungen verwandeln. Wenn die Schwestern sie kriegen, behauptet sie, dass sie von der Hortkurierin Sibel zur Kurierin ausgebildet wird und sich in den Ruinen verlaufen hat. Wenn sie Söldnern oder einer Bande in die Hände fällt, spielt sie einen Jungen.

Tomtom und Nessa sind der große Bruder und die große Schwester der Unsichtbaren und haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen.

Nessa kann Körperhaltungen einnehmen, die normalen Menschen unmöglich erscheinen, um besonders enge Kriechtunnel zu durchqueren und besser an Mauern lauschen zu können. Sie kann die Wange flach gegen die Wand drücken und den Körper so drehen, dass er nicht mehr im Weg ist. Die geschraubte Verrenkungen sieht so unnatürlich aus, dass man den Eindruck bekommt, ihr müssten bestimmte Knochen fehlen.

Petit & Baby Anton

Petit ist ein »Träger« der Unsichtbaren und fünf oder sechs Jahre alt. Er schleppt Baby Anton, ein Kleinkind. Es kommt vor, dass Frauen trotz einfacher Ultraschalluntersuchung im Hort, bei der Geburt von einem Jungen überrascht werden und nicht dazu bereit sind, ihn zu töten. Ein Verbrechen, dass die Schwestern mit dem Tod bestrafen. Die Unsichtbaren nehmen sich der männlichen Säuglinge an und kümmern sich um sie, auf ihre Art.

Petit führt Neulinge in die Geheimkunst des Kinderruhigstellens ein. Die Meisterung dieser wichtigen Aufgabe ist entscheidend für das Leben des Träger und seines Kleinkindes, denn in den Ruinen gilt, wie überall im Ödland, das Gebot der Stille.

Petit bleibt nach der Flucht aus dem Hort in Megas Nähe und opfert Baby Anton, um die Schwestern abzulenken und Mega zu retten. Das Kleinkind wird von Malika getötet.

Im Leben eines Trägers gibt es nichts Schlimmeres als sein Kind abzuwerfen. Das Vertrauen in Petits Fähigkeiten ist nach dem Zwischenfall erschüttert und ihm wird kein neuer Schützling anvertraut.

Ganz bewusst bestimmt Mega deshalb Petit zum Beschützer ihres Kindes, da sie weiß, dass er nie wieder ein Kind fallen lassen wird.

Wölfchen, Megas Kind

Instinkte warnen Mega unmittelbar nach der Geburt, dass sich ihr Kind nicht normal verhält. Das Wölfchen hat dunkle und seltsam ruhige Augen. Sie empfindet die ersten Blicke als intensiv und viel zu aufmerksam. Ihr Nachwuchs kommt dunkellila und zerknautscht zur Welt, als hätte er einen Bluterguss am ganzen Körper. Der Junge ist von Kopf bis Fuß behaart und erinnert an einen Welpen.

Sorgen bereitet Mega, dass das Kind keinen Laut von sich gibt. Es bewegt die Arme, den Mund und die Beine, aber es schreit nicht.

Das Wölfchen sieht weder Mark, seinem Vater, noch ihr selbst ähnlich. Sie überlegt, was die Ursache für das seltsame Äußere sein könnte. Aber weder die Radioaktivität des Salzstocks, noch die überstandene Tollwut, noch die genetischen Optimierungen der Schwestern liefern eine schlüssige Erklärung.

Später in den Ruinen reflektieren die Knicklichter der Unsichtbaren in den Augen des Jungen. Obwohl er kaum älter als einen Monat ist, scheint er schon genau zu wissen, wie laut er sein darf. Er duckt sich, bis nur noch die Augen über den Rand des Tragetuches gucken und brummt, wie ein großes, langsam fliegendes Insekt.

Die Unsichtbaren umsorgen und verehren Megas Kind wie einen Buddha. Im Wölfchen schlägt das dunkle Herz der Ruinengeister. Alle sind entbehrlich, nur der heiligen Kreatur darf nichts geschehen.

Brahman

Ein schmaler, blasser Jungen mit verschmitztem Lächeln und schulterlangen, verfilzten Haaren, die ihm ständig ins Gesicht fallen. Er leidet an einem heimtückischen Husten, der mit Blut vermischt ist. Um keinen Lärm zu machen, unterdrückt er die Anfälle, würgt geräuschlos Blut in die Hand und wischt es gleichgültig an der Hose ab.

Brahman wächst Mega ans Herz und es trifft sie hart, als er eines Morgens steif und leblos neben ihr im Schlafsack liegt. Sie trägt Brahmans Leichnam in die Tiefen unter den Ruinen hinab und wirft ihn in einen dunklen Schacht, der den Kindern für Bestattungen dient, damit »die Hunde ihn nicht kriegen«.

Bob & Dylan

Bob und Dylan sind für die Kommunikation der Kinder zuständig. Sie haben die »Sprache« der Unsichtbaren entwickelt, die aus Klicklauten und Gesängen besteht.

Sylvester & Cougar

Zwei kleinwüchsige, ältere Männer. Wie der Rest der Bande sind die Beiden wie Mädchen zurechtgemacht. Rote Lippen, Spängchen, Zöpfe und Ohrringe verleihen den wettergegerbten, stoppelbärtigen Gesichtern eine groteske Note und lassen sie wie eine abgehalfterte Zirkusnummer aussehen. Bankrottes, fahrendes Volk, das trotzig an einer lächerlichen Travestie festhält. Tomtom bezeichnet sie als »Clowns« und sie haben tatsächlich ein paar Nummern einstudiert mit denen sie die Stimmung der Kinder heben, wenn es notwendig ist. Sie stammen aus einer Zirkusfamilie, die während des Zusammenbruchs durch das Land reiste.

Die Männer tragen stets riesige, stabile Seesäcke mit denen sie den größten Teil der Ausrüstung der Kinder schleppen.

Alex

Ein Witz, den Tomtom macht. Er behauptet die Hälfte der Unsichtbaren heiße Alex: »Damit kannst du nichts falsch machen. Die Trefferquote ist erstaunlich.«

Die grausame Wahrheit ist, dass neue Kinder von den Unsichtbaren Alex genannt werden, bis sie sich einen Namen gemacht haben. Der neue Spitzname wird dem Kind von der Gruppe verliehen. Die Kinder wollen sich die echten Namen nicht einprägen, weil Neue zu schnell von Banden erwischt, oder von Hunden gefressen werden und nur von Kindern, die von der Gruppe bereits einen Spitznamen erhalten haben, muss man sich verabschieden.

Gettos

Hauser, ehemaliger Anführer der Gettos

Hauser ist alt und vom Ruinenleben gezeichnet. Graue Stoppeln bedeckten tiefe Hautfalten, die das Gesicht furchten. Eine hässliche Schädelfraktur dellt seine Stirn ein und schiebt seine Augen so stark auseinander, dass er schielt. Er stüzt sich auf einen Stab, den die Skalpe erschlagener Frauen schmücken.

Der »Medizinmann« der Gettos hat einen Sonderstatus innerhalb der Bande, der ihn unantastbar macht. Auf den Handrücken trägt er eine Rasierklingenritzung mit dem Zeichen der Umerziehung des Matriarchats. Eben jenes Zeichens, das Mega im Norden auf Toren der Gefängnisse sah. Die Hälften für sich genommen sind nicht zu erkennen, erst wenn Hauser die Handrücken nebeneinander hält, offenbart sich die Wahrheit, eine von zwei Querstrichen geteilte Raute: »Ich kenne die Hexen. Sie haben mich zu dem gemacht, was ich bin.«

Hausers offensiver Umgang mit dem Thema hat ihm den Respekt der Männer eingetragen und ihm den Sonderstatus verliehen. Die Gettos glauben, dass ihm durch die Umerziehung der Frauen Wahrheiten zur Verfügung stehen, die Normalsterblichen verschlossen sind.

Es ist Hausers erklärtes Ziel die verfeindeten Banden zu einen und sie dazu zu bringen an einem Strang zu ziehen. Mit vereinten Kräften will er Viktoriastadt angreifen. Seine Pläne zur Zerschlagung des Matriarchats und zur Plünderung der Enklave bleiben vage, bis Mega in den Ruinen erscheint. In der »Rückkehr der Verlorenen« erkennt Hauser das »Zeichen«, auf das er gewartet hat.

Ramón, Anführer der Gettos

Ramón gibt die Befehle, hört aber auf Hausers Ratschläge. Er trägt schwarze Lacklederjacke, verspiegelte Sonnenbrille und Stoppelbart. Ramón ist ein aufdringlicher Widerling, der sich »Frischfleisch«, wie die übergelaufene Sturmkrähe, als Erster unter den Nagel reißt. Er hat Erfolg, obwohl er mit Neulingen nicht gerade zimperlich umspringt, denn er gewährt ihnen Schutz und Status.

Ramón genießt den Respekt der Männer und er dient als Vorbild. Entsprechend ist Homosexualität bei den Gettos kein Tabu. Die Bande ist stolz auf ihre Offenheit, auch was die Integration von Überläufern angeht. Die Männer glauben die Stärksten zu sein, weil sie die Liberalsten sind. Bei den Gettos ist weder die Kleiderordnung, noch die sexuelle Orientierung vorgeschrieben.

Ramón folgt einem Gerücht und bricht mit einer Gruppe zu einem Wachposten im Norden auf. Der Trupp wird von »Stummen« angegriffen und überrannt. Nur Sturmkrähe, der Überläufer, überlebt. Mit dem Tod des Anführers Ramón, ruhen nun alle Hoffnungen wieder auf Hausers altersschwachen Schultern.

Sturmkrähe, Frischfleisch & Überläufer

Blass, schlank und stolz auf seine Haarpracht, die er nach dem Wechsel zu den Gettos beibehalten hat. Sturmkrähe ist extrem jung und sieht aus, als wäre sie gerade aus dem Nest der Unsichtbaren gefallen. Nach Ramóns Tod hat er keine Schwierigkeiten einen neuen Beschützer zu finden.

Die Gettos begegnen dem einzigem Überlebende der Expedition in den Norden mit Respekt und Argwohn. Einige Männer sehen in Sturmkrähe einen Hoffnungsträger und Ramóns möglichen Nachfolger, andere halten ihn für einen Verräter, der von der feindlichen Bande geschickt wurde, um im Lager der Gettos für Unruhe zu sorgen.

Siff, Späher

Der Späher der Gettos liegt im Wachposten auf einem provisorischen Metallrost, der an einem windschiefen Schornstein befestigt ist und beobachtet den geräumten Korridor vor der Autobahn. Dicke Lumpentarnung lässt ihm den Schweiß den Rücken hinunterlaufen. Das Gesicht hat er mit Ruß und Öl schwarz gefärbt.

Siff hasst Ramón und zögert mit einer Warnung, als eine Gruppe Stummer sich nähert. Versteckt im Gedränge fallen ihm zwei Männer auf.

Soldatenkinder

Fee, Marks Schutzengel

Fee ist ein acht- oder neunjähriges Mädchen, dass sich allein im Lager der Soldatenkinder durchschlägt. Der Bastard einer Prostituierten ist unter widrigsten Bedingungen aufgewachsen. Fees Gesten entsprechen nicht ihrem Alter. Sprache und Bewegungen hat sie sich bei den Huren des Lagers abgeguckt.

Fees Gesichtshaut leuchtet in der Farbe von Marmor, während die hellbraunen Naturlocken den Eindruck eines widerspenstigen Gewächses hinterlassen. Ihre Stupsnase und ein Grübchen am Kinn geben ihr eine menschliche Note, während die smaragdgrünen Augen nicht von dieser Welt zu sein scheinen.

Als Fee fünf oder sechs Jahre alt ist, wird ihre Mutter auf der alljährlichen Party des Generals zur Ballkönigin gewählt. Kurze Zeit später stirbt sie an ihren Verletzungen und Fee muss sich fortan allein durchschlagen.

Die Kleine hat »Glück«. Der General entdeckt sie als »Puppe« für seinen »Setzkasten«. Da sie ein Mädchen ist, wird sie vom ihm nicht angefasst, steht als Teil seiner Sammlung aber unter seinem Schutz. Um Essen und Unterkunft muss sich allerdings selbst kümmern.

Da Fee nie etwas anderes kennengelernt hat, landet sie als Prostituierte in den Zeltgassen des Lagers. Niemand wagt es die Hand gegen sie zu erheben, denn alle wissen, dass sie »Eigentum« des Generals ist. Fee verteilt Körbe und wählt gezielt »wohlhabende« Soldaten aus.

Fee hat ein Versteck unter einem Lkw mit platten Reifen. Die geräumige Höhle neben der breiten Antriebswelle riecht nach Altöl und ranzigem Getriebefett. Hier hat sie einen kleinen Hocker, ein verstaubtes Teeservice und den Spielzeugherd, aber keine Spielgefährten, die mit ihr Teestube spielen.

Fee glaubt an einen Ausweg und eine bessere Welt. Die raue Abgegriffenheit der verlorenen Jugend ist ihr auf den ersten Blick nicht anzusehen. Bei näherer Betrachtung erkennt man jedoch, dass den grünen Augen die Furcht, die Gutmütigkeit und die Zartheit fehlen. Fee ist nicht davongekommen, sie kann ihre  verkrüppelte Seele nur geschickt verbergen.

Im Setzkasten des Generals steht sie bewegungslos auf den Veranstaltungen der Lagerelite. Eine durchsichtige Creme lässt ihr Gesicht feucht schimmern und leere, traurige Augen unterstützten den Eindruck puppenhafter Künstlichkeit. Wenn der Assistent sie ins Licht trägt hält sie sich ans Drehbuch und macht sich steif wie ein Brett.

Mutig und selbstlos verstößt Fee gegen Graumanns Gesetz, um Mark zu helfen. Sie wirft ihm Steine an den Kopf und weckt ihn rechtzeitig, bevor die Peiniger bei ihm sind, bringt ihm Lebensmittel und reinigt seine Wunden, denn Fee hat die stille Hoffnung, dass Mark ihr Ausweg ist.

Graumann, Berater des Generals & Putschist

Nach Otis‘ (aka Hauptmann Schmidts) erfolgloser Expedition nach Westen zum Keller, sucht der alte General einen neuen Berater. Seine Wahl fällt auf einen Mann, der auf den ersten Blick unauffällig wirkt. Er hat dichtes, graues Haar, einen rechtwinklig gestutzten Vollbart und ätherische Augen in der Farbe von lichtem Rauch. Eine für den Soldatenhaufen außergewöhnliche Mischung aus Bildung und Moral verleiht den orientalischen Zügen etwas Hochnäsiges. Seine Sprache fließt weich und kultiviert. Wie ein exotischer Duft erzeugt sie die Vorstellung ferner Länder und atmet die Großzügigkeit des Weltbürgertums. Graumann trägt weder Uniform noch Waffe und wirkt im Lager der Soldatenkinder wie ein Fremdkörper.

Auffällig an Graumann ist vor allem seine Unauffälligkeit. Seinen Äußerungen haftet eine eine spezielle Art von Dünkel an, die wie schüchterne Zurückhaltung wirkt. Wer nicht nah genug neben ihm steht, für den sind seine Äußerungen nicht bestimmt. Jede Geste trieft vor zur Schau gestellter Wichtigkeit. Er spricht nur, wenn es notwendig ist und man ist gut beraten, ihm aufmerksam zuzuhören, denn er hält seine Ansprachen kurz und er wiederholt sich nicht.

Im Lager geht das Gerücht Graumann habe drei Begegnungen mit dem Schrotthändler überlebt. Wahr ist, dass Graumann Nathan einmal begegnet ist und versucht hat, sich mit ihm zu unterhalten. Seit diesem Treffen hat Graumann seine eigene Theorie, warum ausgerechnet der Schrotthändler, der zahlreiche Menschenleben auf dem Gewissen hat, das Mädchen mit dem Stern bei sich aufnahm und beschützte. Tatsächlich ist Graumanns Theorie nicht weit von der Wahrheit entfernt. Er vermutet eine hochentwickelte »Zivilisation« hinter Nathan und Mega, mit der er sich unter keinen Umständen anlegen will.

Nach der Machtübernahme lässt sich Graumann feiern. Um den Bewohnern etwas Unterhaltsames zu bieten und Stärke zu demonstrieren, müssen Mark und die Anhänger des alten Generals im Rahmen sogenannter »Festspielwochen« im Zweikampf gegeneinander antreten. Zwei Männer betreten die Arena auf dem zentralen Platz des Lagers, ein Mann verlässt sie. Dem Sieger verspricht Graumann vollständige Rehabilitation. Er werde im Dritten Regiment einen hohen Rang bekleiden.

Wayne, der Boxer

Ein stämmiger Kerl mit dem Unterkiefer einer Bulldogge und der Nase eines Boxers. Seine Glatze bedeckt er mit einem Flecktarn-Bandana. Wayne führt den Spähtrupp an, dem Mark in die Arme läuft, als er das Lager der Soldatenkinder zu Fuß umrundet.

Wanye wird nackt in einen Käfig gesperrt und während der »Festspielwochen« öffentlich zur Schau gestellt. Der Boxer hat Arme, wie andere Menschen Oberschenkel und sein Körper besitzt die Kompaktheit eines Baumstamms. Marks Angstgegner braucht für seine Siege nie länger als eine halbe Minute. Einem Anhänger des alten Hauptmanns zerschmettert er mit der Stachelkeule das Knie, einem Gefolgsmann des gestürzten Generals rammt er das Kampfmesser in den Nacken. Das Repertoire des Schlägers ist umfangreich. Er wird nie müde und er greift keine zwei Mal auf die gleiche Art und Weise an.

Mark muss sich etwas einfallen lassen, um den bulligen Kerl aus der Reserve zu locken. Aus schierer Verzweiflung bewirft er Wayne schließlich mit Dreck. Die Zuschauer finden die Idee gut und folgen seinem Beispiel. Der Spot bringt das schlichte Gemüt des Boxers aus dem Gleichgewicht, versetzt ihn in Rage und verschafft Mark den erhofften Vorteil.

Zunge, der Kautabaklieferant

Ein hagerer Kerl mit knotigem Gesicht und Tätowierungen die wie alte Blutergüsse aussehen. Intensiver Kautabakkonsum hat seine Zunge schwarz gefärbt und ihm seinen Spitznamen verliehen.

Er konnte einem Händler eine umfangreiche Lieferung abnehmen, bevor die Bewohner des Lagers es mitbekamen. Er versteckt den Schatz außerhalb der Palisaden und nimmt nur so viel mit, wie er für den persönlichen Bedarf und seine Bestechungen braucht. Mit der beliebten Tauschware schleimt er sich bei seinen Vorgesetzten ein.

Zunge ist ein Überlebenskünstler. Mit hängenden Schultern und Mundwinkeln macht der schlaksige Kerl einen gemütlichen, fast kumpelhaften Eindruck. Wie ein Chamäleon besitzt er die Fähigkeit, sich uninteressant zu machen und in Vergessenheit zu geraten. Er passt er sich den Bedingungen an und verschwindet von der Bildfläche.

In einem ruhmlosen Kampf richtet Mark Zunge hin, verlässt die Arena der »Festspielwochen« als Sieger und wird von Graumann zum neuen Hauptmann des Dritten Regiments ernannt.

Die Rattenfänger

Pelle & Fisch, Down-Männer

Down-Männer aus der Ziegelei am Großen Fluss, die auf die illustren Namen Pelle und Fisch hören. Wenn man sie nach ihren Spitznamen fragt, lächelten sie nur und hüllen sich in Schweigen.

Pelle hat seinen Namen bekommen, weil er Ratten das Fell, mit wenigen Einschnitten an den richten Stellen, in einem Stück abziehen kann und Fisch, weil er eine Vorliebe für rohen Fisch hat.

Sobald Pelle und Fisch die Ziegelei verlassen, fallen sie in alte Verhaltensmuster zurück und setzen die Kartoffelsäcke mit den schiefen Augenlöchern auf, obwohl der alte Meister, der sie einst dazu zwang, längst tot ist. Die Verkleidung erfüllt ihren Zweck. Mit den Sturmhauben wirken die Down-Männer bedrohlich und ihr Schweigen bekommt eine unheilvolle Aura.