Der Coverdesigner der ÖDLAND-Reihe Colin M. Winkler von mommono.de, stellte sich mir zum Interview.

Ich fand es an der Zeit, den Mann hinter den Bildern kennenzulernen. Immerhin entscheidet man sich für oder gegen ein Buch, dessen Inhalt man nicht kennt, zum größten Teil aufgrund des Covers, bzw. heutzutage aufgrund des Thumbnails im Online-Shop. Das mögen viele bestreiten und behaupten für sie habe selbstredend nur der Text Relevanz, doch die Tendenz zu Ja oder Nein entsteht im Unterbewusstsein. Kurze Klappentexte werden rational verarbeitet, Bilder emotional. Die Arbeit des Designers ist also noch wichtiger als wir ohnehin schon immer angenommen hatten, deshalb jetzt das Interview mit dem Schöpfer der ÖDLAND-Cover Colin M. Winkler:
(Col = Colin M. Winkler, Zac = Christoph Zachariae)
Zac: Hallo Colin. Vielen Dank, dass Du Dich zu diesem Interview bereit erklärt hast.
Col: Ich danke Dir, und ich freue mich darauf.
Zac: In Deiner Biografie kann man lesen, dass Du aus einer Familie von Malern und Bildhauern stammst. D.h. nicht nur Deine Eltern waren Künstler, sondern auch Deine Großeltern? Geht die künstlerische Ader noch weiter zurück?
Col: Wie weit meine „Künstlerlinie“ zurückgeht kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Aber mein Urgroßvater war zur Jahrhundertwende (Anm. d. Int.: 19. auf 20. Jhd.) Hirte von Beruf und schnitzte nebenher kleine Holzfiguren. Mein Großvater ging zur Akademie für Bildende Künste und arbeitete bis ins hohe Alter als Bildhauer. Auch meine Mutter ist Bildhauerin und Malerin. Bei uns wird dieses Talent scheinbar immer an den Erstgeborenen oder die Erstgeborene weitergegeben und so fiel die Liebe zur Kunst mir zu. Meine Familie unterstützt mich seit meiner Kindheit und ließ mir jede Förderung zukommen, die sie sich leisten konnte.
Zac: Wie ist es in der bayrischen Provinz in einer Künstlerfamilie aufzuwachsen? Ich könnte mir vorstellen, dass das nicht immer einfach war. Hat sich Dein Leben von dem anderer Kinder unterschieden?
Col: Ich denke, es gab nur unerhebliche Unterschiede zur Kindheit anderer. In einem bayerischen Dorf aufzuwachsen ist nicht das Schlechteste, auch wenn ich nie dem Klischee eines „richtigen“ Bayern entsprochen habe.
Als kleiner Junge war ich introvertiert. Aber ich hatte zum Glück immer Freunde an meiner Seite und so war ich nie allein. Meine Begabung und meine überausgeprägte Fantasie machten schon einen kleinen Sonderling aus mir, halfen mir aber oftmals auch das Eis zu brechen.

Zac: Du hast eine Lehre als Kirchenmaler absolviert. Ich habe sofort gefährlich hohe Gerüste und einen sehr stillen Arbeitsplatz vor Augen. Ist die Arbeit des Kirchenmalers gefährlich und still?
Col: Auch wenn sich die Arbeit als Kirchenmaler oft anders gestaltet, als die meisten sie sich vorstellen, so waren doch Stille und große Höhen meine ständigen Begleiter. Egal ob man über Wochen hinweg Putz von der Wand hackt oder millimeterweise ein altes Gemälde freilegt, in den meisten Fällen war eine 7° kalte und ganztags finstere Kirche der Schauplatz. Was die Höhe angeht, so war mir schon vor Ausbildungsbeginn bewusst, dass sie für mich die größte Herausforderung darstellen würde. Ich hab zwar grundsätzlich kein Problem mit Höhe, aber panische Angst davor, sie fallend zu überbrücken. Es war nicht immer einfach, aber ich bin recht ehrgeizig und die Angst zu besiegen spornte mich zusätzlich an. Ich lasse mir nur ungern sagen, dass ich etwas nicht kann, erst recht nicht von meinen Ängsten.
Zac: Eine Lehre als Kirchenmaler setzt eine Beschäftigung mit klassischer Malerei voraus. Welche Maler hast Du studiert? Hast Du Vorbilder?
Col: Mein Interesse an Kunstgeschichte war das Hauptmotiv für meine Berufswahl. Wenn Du mich aber nach Vorbildern fragst, fällt es mir schwer unter tausend großartigen Künstlern eine Person hervorzuheben. Viele von ihnen haben mich inspiriert, waren indirekt meine Lehrmeister und halfen mir meinen Weg zu finden. Der bekannte Michelangelo Buonarroti zum Beispiel zeigte mir, dass man auch ein Sturkopf sein kann und sich nicht für jeden verbiegen muss. Leonardo brachte mir bei, dass wahre Kunst oft mehr mit Studieren zu tun hat, als mit „inspiriert“ Tuben auf eine Leinwand auszuquetschen.
Zac: Hilft Dir die Beschäftigung mit klassischer Kunst bei der Arbeit als Illustrator und Designer?

Col: Meine Studien klassischer Ornamente helfen mir moderne Gestaltungen zu entwerfen, denn die Grundlagen sind weitgehend dieselben. Es gibt viele Konzepte, wie der Goldene Schnitt, die bei mir immer wieder Anwendung finden. Auch beim Charakterdesign ist ein umfangreiches kunstgeschichtliches Wissen von Vorteil. Kleidung, Körperschmuck, Frisuren, Farben und Muster, gute Gestaltungen haben ihren geschichtlichen und gesellschaftlichen Ursprung. Ich versuche immer den Zeitgeist der jeweiligen Geschichte in meine Arbeit einzubeziehen. Vor allem in der Fantasy und im Science Fiction erhält man so glaubwürdigere Konzepte.
Zac: Welche aktuellen Künstler findest Du interessant?
Col: Es gibt viele Kollegen, die ich sehr schätze und deren Arbeiten ich bewundere, wie den polnischen Illustrator Marek Okon oder den ConceptArtist Long Ouyang. Viele sehr gute Illustratoren arbeiten heute in der Film- und Spielebranche. Dort wird meiner Meinung nach auch das kreative Potenzial oft am umfangreichsten genutzt.
Zac: Wie gehst Du vor, wenn Du ein neues Cover gestalten willst?
Col: Mein erster Schritt ist immer das Kennenlernen der Geschichte. Ich versuche sie einzuordnen und den genauen Stil der Story zu identifizieren, indem ich sie mit anderen Geschichten aus verschiedenen Genres vergleiche. Außerdem suche ich nach den Themen und dem emotionalen Ton. All diese Punkte beeinflussen die spätere Covergestaltung.
Als Nächstes bespreche ich das Covermotiv mit dem Autor. Die Wahl des Motivs und die Komposition sind die wichtigsten Entscheidungen bei der Gestaltung eines Covers. Das richtige Zielpublikum muss angesprochen werden, das Motiv soll Interesse für die Geschichte wecken, einen kleinen Einblick gewähren und ein Gefühl für die Geschichte vermitteln ohne zu viel zu verraten. Bin ich mir mit dem Autor nach einer Entwurfsphase darüber einig, beginnt der handwerkliche Part.
Zac: Deine Arbeit besitzt einen beeindruckend hohen Grad an Realismus. Wie viel davon ist Handwerk? Wie hoch ist der Anteil an Gabe, die man besitzen muss und nicht erlernen kann?
Col: Talent zu haben ist eine gute Grundvoraussetzung, aber es ist kein „cheat“.
(Anm. d. Int.: Ein „cheat“ ist der zu Testzwecken eingebaute Programmcode eines Computerspiels, der das Spiel erleichtert, indem man z.B. bei Aktivierung unendlich viel Lebensenergie erhält.)
Die wesentlichen Faktoren sind sehr viel Übung, eine gute Beobachtungsgabe, eine Menge Fantasie und natürlich Ausdauer. Mein Talent ermöglicht es mir lediglich, etwas schneller zu lernen. Ohne eine kritische Sicht auf meine Arbeit, um mich stetig zu verbessern, und ohne ständiges Üben, würde ich auch mit Talent nicht weit kommen.
Ebenfalls wichtig ist ein gutes Vorstellungsvermögen, und auch das kann man trainieren. Ich habe mir angewöhnt, alles was ich sehe, als eine Art „geistiges Foto“ abzuspeichern. Es reichen ein paar Sekunden, in denen ich mir einen Gegenstand merke, um ihn anschließend zeichnen zu können. Dadurch habe ich eine umfangreiche Bilderbibliothek in meinem Kopf, auf die ich beim Zeichnen zugreifen kann. Es hilft, sich die Dinge realistisch und plastisch vorzustellen. So kann ich jeden erdachten Gegenstand drehen, und ihn von jeder Seite zeichnen.
Zac: Du gestaltest u.a. Hörspiele, Bücher und eBooks. Hast Du bestimmte Genres, die Du besonders magst? Nach welchen Kriterien wählst Du Aufträge aus?
Col: Ich bin natürlich ein Fan von Fantasy und Science Fiction. Aber ich beschränke mich nicht auf diese Genres. Ich bemühe mich um sehr unterschiedliche Aufträge und freue mich über jeden neuen Stil, den ich ausprobieren kann und schätze Herausforderungen. Ich würde es schade finden, nur noch Raumschiffe zeichnen zu müssen.
Zac: Was hat Dich überzeugt bei ÖDLAND mitzumachen?

Col: Zum einen liebe ich Endzeit, außerdem fand ich sehr reizvoll, dass ÖDLAND in Deutschland spielt. Dann hat mich natürlich Mega, deine weibliche Heldin, neugierig gemacht. Es gibt nicht sehr viele Protagonistinnen, die sich mit Mut, Stärke und Klugheit behaupten, ohne in kitschige oder sexistische Klischees zu verfallen. Zudem gefiel mir gleich von Beginn an, dass Ödland einen gut auszumachenden eigenen Charakter besitzt, den ich unbedingt in den Illustrationen visuell greifbar machen wollte.
Zac: Ich weiß, dass Du Computerspiele magst. Arbeitest Du auch für die Gamesbranche?
Col: Bisher nur im Kleinen. Ich entwarf ein paar Designs für Spiel-Modifikationen und Community-Projekte. Aber es ist eine Branche, bei der ich mir gut vorstellen kann, eine Zeit in ihr hängen zu bleiben.

Zac: Im zweiten Ödland-Cover habe ich nach längerer Betrachtung eine subtile Kreisstruktur entdeckt. Arbeitest Du in Deinen Kompositionen häufig mit geometrischen Elementen?
Col: Zwar tauchen auch schon mal zufällige Formen auf, aber ich befasse mich sehr genau mit der Komposition meiner Cover. Dabei kommen geometrische Formen zum Einsatz, mit denen ich das Bild aufteile und den Blick des Betrachters lenke.
Zac: Hast Du schon Ideen für die Cover von ÖDLAND III und ÖDLAND IV?
Col: Gleich bei den Vorbereitungen zum ersten Cover haben wir uns für einen deutlichen Seriencharakter entschieden. So wird auch bei den kommenden Ödlandbüchern, neben dem einheitlichen Schriftlayout, jeweils eine Person im Fokus stehen.
(Anm. d. Int.: Die zunächst geplante Strenge wurde mit dem Cover für ÖDLAND III bereits aufgelockert. Hagen steht zwar noch immer im Mittelpunkt des dritten Covers, doch mit Mega ist eine zweite Figur zu sehen, da im Dritten Buch das Verhältnis der Beiden entscheidend ist.)
Die Cover werden so zu Portraits, die jeweils einem Charakter gewidmet sind, und die dessen Persönlichkeit und Geschichten erzählen. Die Kompositionen werden sich ähneln, aber die Haltung der Figur und den Schauplatz passe ich dem jeweiligen Charakter und der Geschichte an. Jedem Teil werde ich auch eine eigene Farbigkeit verleihen. Um dabei nicht den Seriencharakter zu stören, werden sich die ÖDLAND-Cover aber weiterhin in einem reduzierten Farbspektrum bewegen und düster und kontrastreich bleiben.
Zac: Vielen Dank für das Interview.
Col: Sehr gern.
Gefällt mir:
Like Wird geladen …