In diesem Artikel stelle ich Dir die Entwicklung des Covers der ÖDLAND-Gesamtausgabe vor. Der lange Weg von den ersten Überlegungen und Skizzen bis zum finalen Cover.
Wie bereits erwähnt, habe ich mir für das Cover der Gesamtausgabe eine Gestaltung vorgestellt, die auf den ersten Blick nicht hundertprozentig zur ÖDLAND-Reihe passt. Das E-Book bleibt selbstverständlich Teil des ÖDLAND-Universums, soll aber nicht als sechster Band der Reihe wahrgenommen werden, sondern als etwas Neues, Unabhängiges. Wer sich mit den Covern der Reihe bisher nicht anfreunden konnte, wird kaum zu einem Band greifen, der wie eine Fortsetzung aussieht. Davon bin ich überzeugt. Eine Gestaltung, die auf den ersten Blick nichts mit der Reihe zu tun hat, könnte skeptische Leser hingegen überzeugen. Wer die ÖDLAND-Reihe kennt und schätzt, wird ohnehin aufgeschlossen reagieren.
Nachdem wir uns festgelegt hatten, stellten wir uns die Frage, welches Detail der ÖDLAND-Erzählung sich für das neue Cover eignen könnte. Wir entschieden wir uns für die Schädeltürme des Söldnerkochs Ramsan und für die Warnzeichen, die das Matriarchat auf den Gefängnissen hinterlässt:
Die Schädeltürme der ÖDLAND-Reihe:
ÖDLAND III, Kapitel 41 – Pfadfinder: Für die morgendliche Katzenwäsche suchte Mega sich einen stillen Winkel vor der Außenwand und fand eine Stelle, an der Ramsan Essensabfälle entsorgt hatte. Säuberlich gespaltene, ausgekochte Knochen lagen auf frisch getautem Moos. Sie wollte den Ort schon wieder verlassen, als sie innehielt und genauer hinsah. Ramsan hatte die Essensreste nicht achtlos aus dem Fenster gekippt. Er hatte Zeit und Muße investiert und ein beunruhigendes Kunstwerk geschaffen. Die Gebeine hatte er der Größe nach zu einer Pyramide aufgeschichtet und auf der Spitze, wie zur Krönung, Rodericks abgetrennten Kopf platziert. Seine toten Augen blickten seltsam wässrig und schief, aber die fliehende Stirn und die spitz gefeilten Zähne schlossen jede Verwechslung aus. Bunte Glasscherben durchstießen die Schädelknochen, setzten ihm eine Krone auf und betonten die Wangen, dass er aussah, als wäre er geschminkt. Ihm zu Füßen ruhten die Schädel der Helfer. Gemeinsam bildeten sie einen fünfzackigen Stern. Roderick blickte nach Norden, in die Richtung, in der sie weitermarschieren wollten und schien ihnen mit unverminderter Hinterhältigkeit hinterherzugrinsen. Was trieb den Koch sich solche Mühe zu machen? Eine Wegmarkierung? Wenn es sich um ein Zeichen handelte, wem hatte er es hinterlassen? Der Nachwelt? Nathan? Wohl kaum. Mega konnte sich keinen Reim auf den Fund machen. Er hinterließ sie ratlos, fasziniert und befremdet zugleich.
ÖDLAND IV, Kapitel 70 – Die Herde: Ramsan redete mit den Toten und die Toten redeten mit ihm. Er hatte Schädel zu einer Pyramide gestapelt und war im Begriff, den Schlussstein auf der Spitze der morbiden Skulptur zu platzieren. Stellgar stockte der Atem. Er entdeckte Verzierungen. Mit rotem Lehm hatte der naive Künstler den Wangenknochen zarte Farbe verliehen. Holzkohle betonte Augenhöhlen wie Lidschatten. Die makabre Inszenierung ließ den abgehärteten Söldner erstarren. Zu wissen, dass der Koch sich der Anstößigkeit seiner Spielereien bewusst war und sich deshalb zurückzog, machte die Sache nicht erträglicher.
Mit der Gestaltung des letzten Schädels hatte sich Ramsan besonders viel Mühe gegeben. Er hatte ihn ausgekocht, um sämtliche Gewebespuren zu entfernen und der Knochenstruktur ein strahlendes Weiß zu verleihen. Außerdem hatte er helles Ödlandgras gepflückt und es so in den Rissen der Schädeldecke befestigt, dass es wie das glatte, platinblonde Haar einer Frau aussah. Die Bemalung und das offene Haar verliehen dem Objekt etwas so eindeutig Feminines, dass es Stellgar die Sprache verschlug. Nie zuvor hatte sich die Deutung so aufgedrängt. Was der Koch sah, was er seit Jahren abgöttisch verehrte und deshalb überall zu reproduzieren versuchte, waren Frauen. Nein, nicht Frauen. Nur diese eine Frau.
Die Gestaltung des Covers weicht von den Beschreibungen ab, weil wir sie nicht eins zu eins umsetzen wollten. Das Cover könnte eine Studie oder ein Vorstadium des Künstlers zeigen, zu einem Zeitpunkt, da er noch experimentierte.
Im ersten Schritt probierten wir verschiedene Farben aus und arbeiteten uns von einem kontaminierten orange-grün (Entwürfe I + II), zu einem kontrastreichen schwarz-weiß mit dominanter Titelschrift in blutrot (Entwürfe III – V). Liegt der Schwerpunkt in den ersten Entwürfen eher auf den Gefahren der Landschaft, verschiebt er sich in den späteren Überlegungen auf die Überlebenden und ihre Rituale.
Eine Zwischenstufe (Entwurf III) mit schwachen Kontrasten und dunklem Hintergrund konnte nicht überzeugen und wurde verworfen.
Die Größe des Schädelturms wurde reduziert, um die Verlorenheit der Hauptfigur und die menschenleere Landschaft spürbar zu machen.
Im letzten Schritt wurden die Details des Schädelturms und seine Verzierungen angepasst. Das Zeichen des Matriarchats sollte erkennbar, aber nicht offensichtlich sein. Es sollte entdeckt werden können.
Abschließend probierte Colin noch einmal einen größeren Schädelturm aus. Entwurf IV ist interessant. Auf den ersten Blick dachte ich: „Wow, krass.“ Aber wenn man sich zurücklehnt und nachdenkt, wird einem klar, dass viele Details in diesem Entwurf verschwinden, bzw. nicht mehr zur Geltung kommen. Angefangen von der Stapelung der Knochen, über den Blutstropfen, bis hin zur Bemalung des obersten Schädels und seinen Glasscherben. Ein kleinerer Haufen erzählt außerdem besser die Kargheit der Landschaft und die Einsamkeit der Heldin. Der große Schädelhaufen „drängt“ sich dem Betrachter auf. Der kleinere Abstand wirkt beunruhigend, aber das Bild ist beunruhigend genug. Die Wirkung muss nicht verstärkt werden.
Was denkst Du? Wie gefällt Dir das Cover der ÖDLAND-Gesamtausgabe?